Beethoven in Bagdad. Meeting Astrid Vehstedt

Zum Ende des Beethoven-Jahres habe ich mit Astrid Vehstedt gesprochen. Die aus Hamburg stammende, lebendig Musiktheater-Regisseurin erzählt in unserer Begegnung im Deutschlandfunk über die geplante Aufführung von Goethes „Egmont” mit  Beethovens gleichnamiger Orchester-Musik in Bagdad. (s. hier) Ein kurzweiliger Nord-Süd-Dialog, weil die Autorin sich auf das Andere einlässt und zugleich aus der Pandemie geborene Pläne die Not zu einer  Tugend machen: während das Warten auf die Premiere in Bagdads andauert, entsteht ein Dokumentarfilm zwischen Bagdad und Berlin und auch wenn das Beethoven-Jahr längst abgelaufen sein wird… siehe hier.

Hier die kurze Zusammenfassung des Gesprächs im DLF:

Musiktheater-Regisseurin Astrid Vehstedt:
Kunst und Theater sind immer politisch

Die in Hamburg gebürtige Musiktheater-Regisseurin Astrid Vehstedt hat „großes Bedauern“ geäußert, dass das Beethoven-Jahr „nicht so stattfinden konnte, wie es geplant war.“ Gefragt ob sie die aktuellen Pandemie-Beschränkungen für den Bereich der Kultur als verhältnismäßig ansieht, meinte Vehstedt. „Das ist sehr schwer einzuschätzen.“ Sie bedaure als Künstlerin sehr, dass zur Zeit keine Theaterbesuche möglich seien. Dabei gäbe es verantwortungsvolle Hygienekonzepte. Zugleich könnten Flugreisen und Fußball-Bundesliga unverändert stattfinden. Es herrsche ein Ungleichgewicht von Lizenzen etwa zwischen Fußball-Vereinen und Theatern. Der Lockdown sei teilweise ein Problem der Kommunikation durch die Politik, die Herausforderung zugleich unglaublich gross: „Ich möchte nicht so gern derzeit in der Haut einer Politikerin in maßgeblicher Verantwortung stecken. Das sind sehr schwierige Entscheidungen, die da getroffen werden.“
 
 Vehstedt ist zuversichtlich, wie geplant im kommenden Jahr die Produktion Egmont im Irak aufführen zu können. Die Musiktheater-Regisseurin arbeitet zur Zeit mit Musikern und Darstellern in Bagdad an Beethovens-Bühnenmusik Egmont und dem gleichnamigen Trauerspiel von Johann Wolfgang Goethe. Das Ganze ist Teil der Reihe „The other Beethovens“, die das Goethe Institut mit Konzerten und Kunstaufführungen in und mit Asien, Afrika und Osteuropa durchführt. Die Corona-Pandemie hat die Zeitplanung auch hier durcheinandergebracht.
 
 Was sie in Bagdad gesehen habe, habe sie sehr beeindruckt, so Vehstedt. Das Goethe Institut habe im vergangenen Jahr erstmals eine Übersetzung von Egmont in Auftrag gegeben. Bereits im Januar 2020 fand ein Workshop in Bagdad dazu statt. Aufgrund des aktuellen Lockdowns arbeitet das Team zwischen Berlin und Bagdad zur Zeit zusätzlich an einem Dokumentarfilm, der im nächsten Jahr fertig sein soll.

 Sie sei sich bewußt, so Vehstedt, dass arbeiten im Irak gefährlich sei. „Das erste Mal, als ich in Bagdad war, durfte ich mit meinem Kollegen Hans Rotman für unseren gemeinsamen Workshop nur mit einem gepanzerten Auto durch die Strassen fahren.“ Wichtig sei gewesen, das Land kennenzulernen und mit den Darstellern im Irak eine gemeinsame künstlerische Sprache zu entwickeln. „Das war sehr berührend und erstaunlich, wie gut wir in den Workshops arbeiten konnten.“ Irakische Schauspieler seien „recht gut ausgebildet und verfügen oft über sehr gute Kenntnis des deutschen Theaters. Berthold Brecht, Heiner Müller und Peter Weiss sind bekannt“, so dass sich darüber sehr gute Anknüpfungspunkte ergäben. 

 Ob es die politische Bewegung, die vor einem Jahr im Irak mit Protesten startete, noch gebe, könne sie nicht sagen. Was sie gesehen habe, habe sie aber sehr beeindruckt. „Die friedliche Form der Einforderung von Rechten.“ Die Menschen auf der Strasse hätten der Welt gezeigt, was sie wollten aber auch, was sie könnten. Die Inszenierung von Egmont für die Bühne sei allerdings nicht die Verlängerung von Vorgängen auf der Strasse. Zugleich ist Vehstedt überzeugt: „Kultur und Theater ist immer in irgendeiner Form politisch, und war es auch immer“.
 
 Die in Hamburg aufgewachsene Regisseurin arbeitete in den 80er Jahren als eine von wenigen Frauen am Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel unter Intendant Gérard Mortier. Mortier sei offen gewesen, so Vehstedt: „Die Zeit hat mich sehr geprägt. Wie man ein grosses Opernhaus künstlerisch leiten kann, wie eine grosse Familie. Ich habe dort das Ensemble Interculturel gegründet, das Mortier sehr unterstüzt hat.“
 Auf die Mee-Too-Debatte angesprochen, sagt Vehstedt, das sei nicht ihre Sache, obwohl auch sie Vieles erlebt habe in ihrer bisherigen Karriere. Sie habe mit 21 Jahren erstmals Stücke inszeniert und und sei in ihrer Karriere von Anfang an mit dem Vorurteil konfrontiert worden, Frauen könnten nicht inszenieren. „Ich habe mich nie darum gekümmert. Ich habe mich auf meine Arbeit konzentriert. Aber ich wurde gemobbt und habe erlebt, das meine erfolgreiche Arbeit unterbrochen wurde.“

Ausschnitt einer Arbeitsprobe des deutsch-arabischen Textes von Egmont (mit freundlicher Autorisierung von A.Vehstedt):