Erschöpfung vor dem Bildschirm: Studieren im Zoom-Modus

Hier sind einige Gedanken zur Zeit und zum Studieren im Zoom-Modus.
Eindrücke u.a., die ich im Lauf der vergangenen Uni-Semester (als Gasthörer) gewonnen habe und die eingeflossen sind in eine aktuelle Beobachtung, die der Deutschlandfunk (hier) gesendet hat dieser Tage. Heute, im Zug in Pina Bauschs Wuppertal und zurück, entdecke ich in der FAZ die Zeilen von Verena Kammandel und ihrem Beitrag
Kalt ist das Pixelbild und die Welt eine Scheibe, die ich, weil eng verknüpft mit meinen Text, den Beobachtungen voranstelle:

‚Mein digitales Studium hat mich enttäuscht und erschöpft.
Niemals zuvor habe ich so viele Informationen gespeichert und nichts gelernt.
So viele Dateien gedruckt und nichts gelesen.
Mit so vielen Personen geredet und nicht gesagt. …
Fabians Erdbeerjorurt sagt mir nichts, weil sein Bild keine Ausstrahlung hat.
Dr. W. Sagt mir nichts, weil sein Bild keine Stimmung schafft.
Das ganze Seminar sagt mir nichts, weil sein Bild keine Atmosphäre besitzt.‘

Erschöpfung vor dem Pixelbild: Studieren im Zoom-Modus

Auch das kommende Sommersemester 2021 wird weitgehend im Internet stattfinden, virtuell. Mit Ausnahme weniger Präsenzveranstaltungen. Kommender April bis Juli – das dritte Semester im Lockdown also. Für die Masse der Studierenden bedeutet dies: kein Campus-Leben mit Café und Kommilitonen, keine physische Gruppenerfahrung, kein lustvolles Stöbern in Bibliotheken, keine Uni-Sauna, Sport- und oder sonstigen Angebote mit Mehreren.
Stattdessen: zuhause bleiben, den Laptop aufschlagen oder die Handy-App abrufen. In schwarze Kästchen schauen, von denen eines dem Dozierenden gehört. Studieren im Zoom-Modus. Hochschulen und Fakultäten beteuern, man arbeite so gut es geht unter den virtuellen Bedingungen.
Aber stimmt das? In Online-Seminaren, den ich beigewohnt habe die letzten Semester über, stocken Kommunikation und Lernfluss immer wieder. Dozierende reagieren verunsichert, wenn Studierende ihr Gesicht auf dem Bildschirm wegklicken. Das Gegenüber – ein schwarzes Kästchen. Der Stresspegel im virtuellen Raum steigt. Aufkommende Aggressionen lassen sich manchmal nur notdürftig verbergen.
Das geht so mitunter mehrfach am Tag. Die wachsende Zahl von Stunden für die Uni am Bildschirm verändern Körpergefühl- und Kommunikation. Augen und Physis sind am Ende des Tages Belastungen ausgesetzt, die wissenschaftlich erst ansatzweise ergründet sind. Den Unterricht aber bereits jetzt massiv prägen.
Nicht alle Studenten und Studentinnen kommen im virtuellen Unterricht so zum Zug, wie sie möchten. Schüchterne zum Beispiel. Ihre non-verbale Kommunikation verpufft am Bildschirm. 
All das hat mich dazu gebracht, in meinen Online-Veranstaltungen das offene Gespräch anzuregen, Erfahrungen auszutauschen. Zunächst herrschte Konsens dazu. Praktisch kam dann wenig Austausch zustande. Dozierende, so mein Gefühl, reagieren dünnhäutig, fühlen sich leicht angegriffen.
Ist es die Ohnmacht über die Art und Weise, wie die virtuelle Technik den Seminarraum einfriert, die Hierarchie einebnet? Das Unbekannte, schwer Faßbare des virtuellen Unterrichtens? Die Herausforderung, sich zu Gleichen unter Gleichen zu machen?
Aber auch Studierende erlebe ich überraschend zurückhaltend. Als fürchteten sie, ihr Feedback zum neuen Zoom-Alltag könne als Kritik ankommen, und ihre Noten oder ihr Weiterkommen kompromittieren.
Dabei denke ich: Sollten nicht gerade die Hochschulen Orte für kritischen Austausch in Zoom-Zeiten sein? Müsste die akademische Elite nicht vorangehen, um über Wirkung und Folgen des virtuellen Lernens zu reflektieren? Schulen, Lehrer und SchülerInnen streiten sich längst öffentlich darüber.
Mitunter sind es kleine Änderungen, die Grosses bewirken können: So könnten Studierende Fragen an ihre Kommilitonen weitergeben, wenn der oder die Dozentin mit digitalem Frontalunterricht gerade blockiert wirkt. Gruppendynamik ist elementar, um das Gefühl einer Gemeinschaft noch irgendwie wach zu halten.
Anregungen und Kritik für einen besseren Online-Unterricht sind da willkommen. Oft werden sie schon von den Universitäten anonymisiert angenommen und verarbeitet. Vielleicht aber liegt auch hier ein Problem: die persönliche Begegnung am Bildschirm ist allemal wirkungsvoller als eine email zu schreiben und kommunikativer. Gerade Jüngeren, Digital Natives also, sei – so komisch dies klingen mag von einem älteren Semester – empfohlen hier Gesicht zu zeigen. Eine lebendiger Dialog so gut es eben geht. Der akademische Austausch bleibt sonst hinter seinen Möglichkeiten zurück.