Nach Magdeburg: gegen weiteren Abbau von Asylrecht

Hier ist mein Kommentar im Politischen Feuilleton für Deutschlandfunk Kultur heute (und unten in Textform)
Nach der Amokfahrt von Magdeburg unmittelbar vor Weihnachten kommen nun reflexhaft Forderungen, die Asylpolitik in Deutschland zu verschärfen. Dabei wird die Lage in bisherigen Fluchtländern wie Syrien und Afghanistan noch länger unübersichtlich und instabil bleiben. Das Schüren von Angst verbietet sich meiner Ansicht nach. Ob der Pakt der Parteien für Fairness im Wahlkampf hält, was das Papier verspricht? Hier ist sicher ein gesundes Maß an Skepsis angebracht. Dennoch gibt es auch Gründe für Zuversicht, wie ich weiter unten ausführe. Ein gutes Jahr 2025 in jedem Fall wünsche ich euch und Ihnen:

https://www.deutschlandfunkkultur.de/kommentar-fluechtlingspolitik-asylpolitik-magdeburg-syrien-assad-100.html

Nach Magdeburg

Kommentar:

Die Tat von Magdeburg lehrt neue Achtsamkeit und Demut zugleich. Genauer hinsehen für unsere Sicherheit. Täter-Profile, die in kein bekanntes Muster passen, nicht schnellen Vorurteile aussetzen. Mediale Routinen überprüfen: Wenn der Täter AfD-nah und anti-islamisch ist, dann sollte dies auch in Nachrichten konsequent erwähnt werden. Überlegenswert sind Hinweise, dass und wie sich psychische Erkrankungen und subjektive Radikalität in demokratiefeindlichen Einstellungen widerspiegeln können.
Wird die Politik einige dieser Ansätze für neue Vernunft im Wahlkampf beherzigen? Hält der neue Pakt der Fairness? Schaffen wir es, Gesellschaft nicht immer wieder in ‚Wir‘ und ‚die‘ einzuteilen,was Neid und Hass schürt? Als kenne niemand seine Nachbarn: den anatolischen Friseur, die osteuropäische Pflegekraft, den syrischen Schneider.
Die Debatte um Syrien nach Assad lässt erschaudern wegen übereilter Rufe nach Abschiebungen. Noch auf Wochen wird die Lage in Syrien unübersichtlich und instabil bleiben. Ein weiterer Abbau des Asylrechts und das Schüren von Angst verbieten sich daher. Die aktuelle Abschiebe-Diskussion verunsichert unnötig viele Menschen – Zugewanderte wie Deutsche. Das finden gerade mittelständische Unternehmen, die mit den eingewanderten Arbeitskräften überwiegend gute Erfahrungen machen.

Ausgerechnet dort, wo die AfD ihre Hochburgen hat, im Osten, könnte vielen Menschen ein Licht aufgehen, wenn erkennbar wird, dass ihr Ärzte- und Pflegepersonal, ihre Krankenstationen und Not-OPs in der Fläche wegbrechen ohne Fachkräfte aus dem Ausland. Regionale Notstände könnten die Folge sein Und neue Spaltung. Denn Gesellschaft bedeutet immer auch soziale Dynamik, Sie ist nie im Stillstand. Die Ausländer von heute sind die Gründergeneration von morgen.

Die Doppelmoral aus „Retten“ und „schnell wieder Abschieben“ fällt zusammen mit politischer Kurzsichtigkeit auf dem Höhepunkt von Krieg und Krise: Als das freie Syrien 2011 militärische Hilfe vom Westen gebraucht hätte, zögerte dieser. Russland füllte das Vakuum. Nun droht Syrien bei aller Freude über die neu erlangte Freiheit, womöglich von den Begehrlichkeiten Israels, der Türkei, US-Amerikas, Irans und Russlands zerrieben zu werden. Afghanistan läßt grüssen.

Vor 45 Jahren flüchteten Afghan:innen vor der sowjetischen Invasion am Hindukusch nach Deutschland. Den beschämenden Abzug aus Afghanistan im August 2021 vor drei Jahren und der Exodus, der ihm folgte, hat Deutschland mit zu verantworten. Nun stehen auch Afghanen und Afghaninnenvor erneuter Abschiebung. Und Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan, im Oktober 2022 für monatlich 1.000 Bedrohte geschaffen, sehr wahrscheinlich vor dem Aus. Nur wenigen Hundert Menschen wurden tatsächlich aufgenommen.Tausende, die bereits eine schriftliche Aufnahmezusage für Deutschland haben, sitzen noch in Pakistan. Um sie wird jetzt politisch gerungen. Spielt die Poltik hier auf Zeit? Oder stellt sie sich der Verantwortung?
Gerade weil das Ansehen von Politikern auf einem Tiefstand ist, der Mangel an politischen Visionen zugleich mit den Händen zu greifen, und gerade weil gesellschaftlicher Zusammenhalt so fragil wie selten erscheint, lohnt es sich an zivilgesellschaftliche Tugenden zu erinnern. Im Januar vor einem Jahr gingen die Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Gegen politische Instrumentalisierung – für kreative, dezentrale Lösungsansätze. Wenn wir diesen Esprit wiederfinden, ist mir um 2025 nicht bang.