Syrien-Flüchtlinge, Familiennachzug und eine typisch deutsche Debatte

Morgen entscheidet der Bundestag über den Familen-Nachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz in Deutschland. Im Kern geht es dabei – nach über 20 Änderungen im deutschen Ausländer- und Migrationsrecht seit 2015,  die meisten davon Verschärfungen, erneut um einen Grundsatzstreit, nämlich um die Anerkennung einer deutschen Einwanderungs-Wirklichkeit. Der Kompromiss, auf den sich die möglichen Koalitions-Partner in Berlin aktuell zubewegen, erwähnt dabei interessanterweise nicht bzw. ungenügend, was Familiennachzug an positiven Folgen für eine gelungene Integration in Deutschland bewirken kann. Die Kritiker betonten vor allem den Ordnungscharakter der geplanten Maßnahmen, für sie steht Verhinderung von neuem Zuzug im Vorderung.

Auffällig dabei ist, dass beide Kirchen in Deutschland – katholische wie evangelische – gegen die christlichen also die C-Partien im Bundestag argumentieren. Dies passiert nicht zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Es belegt aber vor allem, wie tief der Riß in der deutschen Gesellschaft zu Fragen der Migration aktuell und erneut verläuft.
Weil die Debatte über den Familiennachzug syrischer Flüchlinge nach Deutschland emblematischen Charakter hat für die Debatte und die Auseinandersetzung um das künftige Ausländerrecht und seine Ausgestaltung, sind Orte einprägsam, an denen sich die Dinge wie in einem Brennglas bündeln.
Die Hohenheimer Tage zum Migrationsrecht, die am vergangenen Wochenende in Stuttgart stattfanden, sind so ein Brennglas. Wer Gelegenheit hatte dort zu sein, hat eine ziemlich genaue Vorstellung davon bekommen, was diese Woche zu erwarten war und ist mit Blick auf die Abstimmung im Bundestag und durch unsere Volksvertreter, und welche Hürden für ein offeneres Migrationsrecht in Deutschland aktuell vorhanden sind.

Für Rechtsexperten, für Beamte wie Aktivisten im Asylrecht ist Hohenheim in den vergangenen 30 Jahren ein Ort juristisch-gesellschaftlichen Diskurses und produktiven Streits geworden, hevorgegangen in den 80er Jahren aus einem politischen Streit schon damals über den Familiennachzug (seinerzeit im Kontext der Türkei).

Ich dokumentiere hier einen Teil der Gespräche mit Befürwortern wie Kritikern eines integrationsfreunlichen Familiennachzugs, die ich in Hohenheim geführt habe. So liberal die Tradition unter der Schirmherrschaft der Diözese Rottenburg ist, so bereitwillig streben längst auch konservative Juristen, Anwälte und Richter nach Hohenheim. Beide Seiten stecken dort, bei gutem Essen und schadstoffarmer Luft fern des Stuttgarter Kessels, die Köpfe zusammen. Es wird hart gestritten. Ohne Polemik, fern von Populismus und Stammtisch-Niveau. Ein Debattenort mit Nachahmungswert. Parteien und ihren Vertretern an dieser Stelle mit Nachdruck empfohlen.

Welche Stellung die aktuelle Debatte um den Familiennachzug syrischer Flüchtlinge in der Konjuktur deutscher Streitigkeiten über das Ausländerrecht seit den 80er Jahren einnimmt, bringt Klaus Barwig, der scheindene Leiter der Akademie, im folgenden Interview auf den Punkt, mit einigen Perspektiven auch für das weitere Zusammenleben von Migraten und Deutschen in unserem Land:

 

Günter Burkhardt, Geschäftsfüher von Pro Asyl, kritisiert u.a. die geplante Kontingentierung des Familiennachzugs als konträer gegen individuell verbriefte Menschenrechte …

 

…während Daniel Thym, Professor an der Universität Konstanz, die für ihre konservative Rechtsauslegung bekannt ist,
den Staat in der Pflicht sieht Zuzug zu steuern, wenn nicht zu begrenzen. Das Recht auf Einheit von Ehe und Familie u.a., so Thym, müsse dahinter zurückstehen:

 

Was jahrelanges Getrennt-Sein für Flüchtlingsfamilien konkret bedeutet und welche Härten es beinhalten kann, versucht Irme Stetter-Karp von der Diözese Rottenburg-Stutgart und Vizepräsidentin Deutscher Caritasverbands, anhand von Beispielen zu beschreiben,

 

Die Deutsche Bischofskonferenz steht ganz auf der Seite dieser Argumentation. Alexander Kalbarcyzk, der für den Bereich Weltkirche und Migration steht, betont warum er Familiennachzug außerdem für ein effizientes Mittel gegen das Schlepperwesen hält. Ein Aspekt,  der sich in keiner der Argumentationen der C-Parteien findet.

 

Last not least empfehle ich in das Gespräch mit Johannes Schwörer, Unternehmer/Schwörer-Haus. Schwörer, dessen Unternehmen rund 240 Angestellte beschäftigt, sieht sich als Opfer eines Dickichts von Gesetzes- und Behörden-Anweisungen, die – wie er schildert – eine raschere Integration von Flüchtlingen und Mirgranten erschweren und deutsche Unternehmer zunehmend verunsichern. Zugleich empfiehlt er neue Wege in der Ausbildung mit und in den Flucht- und Entwicklungskländern, sinnbildlich für ein neues Kulturverständnis beim Ringen um bessere Integration:

 

Über die Hohenheimer Tage zum Migrationsrecht finden sich meine Berichte außerdem bei
Deutschlandufnk (hier) und BR (hier).